Brücken schlagen mit Reuse

Diese Materialmission führte uns an den Flughafen Tegel, der 1948 zur Versorgung West-Berlins in gerade einmal 90 Tagen aus dem Boden gestampft wurde. Auf dem stillgelegten Flughafen finden heute Großveranstaltungen statt.

So auch das GREENTECH FESTIVAL, von dem wir 7,59 Tonnen Material vor der Entsorgung gerettet und zur Wiederverwendung an verschiedene Initiativen vermittelt haben.

Nach uns die CO2-Einsparung

1948 blockierte die sowjetische Besatzungsmacht alle Land- und Wasserwege nach West-Berlin. Fast ein Jahr lang war die geteilte Stadt von der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Co. abgeschnitten. Die Bevölkerung wäre bald verhungert – wenn nicht die Westalliierten die Berliner Luftbrücke gestartet hätten. Zur Unterstützung des Flughafens Tempelhof erbauten sie innerhalb von nur 6 Wochen den provisorischen Flughafen Tegel, der bis 2021 in Betrieb war.

Hier fand im Juni 2022 das GREENTECH FESTIVAL statt, eine der größten Veranstaltungen weltweit im Bereich grüne Energie und Technologie. Doch wie grün ist das Event selbst? Dank unserer Materialvermittlung konnte das Festival seinen CO2-Verbrauch zumindest um 14.016,39 Kilogramm CO2-Äquivalente reduzieren – und gleich neun Initiativen in und um Berlin freuten sich über frisches Material! 70 Jahre nach der Berliner Luftbrücke gelang uns damit ein Brückenschlag der etwas anderen Art.

Die Saudade Film GmbH aus Berlin hat uns bei der Mission spontan begleitet und ein kleines Video gedreht. Seht selbst:

Eine Landebahnlänge Theaterlatten

Beim Großteil des Materials, das auf der GREENTECH verbaut war, handelte es sich um Holz in verschiedenen Formen und Ausführungen – davon 1.504,19 Kilogramm Sperrholz, 980,69 Kilogramm Konstruktionsvollholz (KVH) sowie 3.426,13 Kilogramm Theaterlatten! Hätten wir die Landebahn 08L/26L der Länge nach mit den Latten ausgelegt, hätten wir ihre 3.023 Meter Länge locker erreicht und sogar noch mehr als 200 Meter übriggehabt!

Wohin mit so viel Holz und anderem Material – zum Beispiel 844,78 Kilogramm Hochflor Teppich? Für diese neun Initiativen kam die Spende genau richtig:

THIKWA WERKSTATT FÜR THEATER UND KUNST

Das THIKWA ist "Deutschlands berühmtestes Theater, in dem Künstler*innen mit und ohne Behinderung gemeinsam Theater spielen” (rbb Kulturradio). Seit 1995 betreibt das Theater auch die THIKWA WERKSTATT FÜR THEATER UND KUNST. Als anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung, ist diese heute ein Kompetenzzentrum. Zurzeit arbeiten hier 44 Künstler*innen, die zum Teil auch Mitglieder des Theaterensembles sind. Es gibt ein Malatelier, eine Holz- und Metallwerkstatt und einen Bereich für Stoff & Plastiken.

Insgesamt 512,54 Kilogramm Material – darunter Holz (KVH, Theaterlatten und Sperrholz), ein paar Bannerrahmen sowie etwas Molton – gingen an die THIKWA WERKSTATT. Die Künstler*innen kennen sich bestens mit den gespendeten Materialien aus, weshalb die Umnutzung leichtfallen wird: Die Rahmen werden von ihnen als Webrahmen verwendet und aus den Sperrholzplatten entstehen Reliefbilder.

Kollektiv Nachtkerze

2.337,90 Kilogramm Material gingen an das Kollektiv Nachtkerze, das in und um Berlin nach Alternativen zum profiorientierten Feiern sucht. Ein großer Teil der Konstruktionen auf dem GREENTECH FESTIVAL bestand aus riesigen und kleineren Rampen. Einige dieser Rampen landeten bei den Nachtkerzen in einer alten Polizeischule in Biesenthal. Hier, nördlich von Berlin, sollen über zwei Jahre neue Veranstaltungsformate erprobt werden – unter anderem ist für 2023 eine Künstler*innenresidenz geplant.

Bauspielplatz Kolle 37

Mit Ausnahme der Sonntage haben Eltern hier Hausverbot! Auf dem Bauspielplatz Kolle 37 darf alles so bleiben, wie es von den Kids zusammengenagelt wurde – auch die gut 1.122,95 Kilogramm Holz, die wir angeliefert haben und die bestimmt bald verbaut werden.

Schon seit Anfang der 90er belebt der Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e.V. den Kolle 37 mit Bauprojekten für Kinder und Jugendliche. Neben einem großen Versammlungsort, der bspw. für Offene Treffen gemietet werden kann, stehen viele von Kindern und Jugendlichen selbst gebaute Hütten. Auch Bogenschießen und Gärtnern gehören hier zum Freizeitangebot!

Fliegerwerkstatt

Vom stillgelegten Flughafen Tegel aus ging es auch zum stillgelegten Flughafen Tempelhof.  In der Fliegerwerkstatt landeten über 650 Kilogramm Latten für den Bau einer offenen Hütte mit Tresen am neuen Sportverein auf dem Tempelhofer Feld.

"Die Kids entwickeln hier so viele Skills!", sagt der Sozialpädagoge Patrick Peinhof über den 1.400 Quadratmeter großen Erlebnisraum für Kinder und Jugendliche. Die von der Social Return Stiftung geförderte Werkstatt bietet einen Ort zum Heranführen an Werkzeuge und Materialien über Seifenkistenbau bis hin zu großen Auftragsarbeiten für Bühnenbilder.

Allein im letzten Schuljahr setzten 400 Jugendliche aus über 16 Nationen hier ihre Projektideen um - ganz ohne Zeit- und Leistungsdruck.

Schokowerkstatt

Auch in Kreuzberg wird fleißig gezimmert: Hier befindet sich die Schokowerkstatt, ein Teil des Frauenzentrums Schokofabrik. Besucherinnen* jeden Alters, unterschiedlicher Befähigungen, jeglicher Herkunft oder sexuellen Orientierung sind hier willkommen. Hier gibt es ein Hamam, eine Kita, eine Beratungsstelle, ein Repair-Café, ein Sportzentrum, sowie einen Treffpunkt mit Deutschkursen, Nachhilfe und gemütlichem Beisammensein.

Die seit 30 Jahren bestehende Werkstatt wurde im Dezember 2019 von einem Tischlerinnenkollektiv übernommen und wird als Offene Möbelwerkstatt für FLINTA*- Personen weitergeführt. Mit den Theaterlatten und Konstruktionsbalken können die Workshop-Teilnehmenden nun Balkonmöbel und Hochbeete bauen.

Schlesische27

Wir brauchen Weitsicht, wahrlich gute Ideen, wie Gesellschaft und die Welt von morgen ausschauen könnten. In Zeiten, in denen sich Klimazonen verschieben, Grenzzäune wachsen und Verteilungskämpfe härter werden, drängen die Fragen nach einem neuen Wir.
— Barbara Meyer**

Barbara Meyer von der S27, einem Kunstlabor für innovative Bildungskonzepte freut sich über einige Kilogramm Holz sowie 96 Kilogramm Tarkett.

Kunst-Stoffe & Material Mafia

Vom GREENTECH FESTIVAL in einen Tempel: Der Kunst-Stoffe e.V. und die MaterialMafia bekamen 312,28 Kilogramm Hochfloor Teppich. Diesen werden sie für eine Tempelinstallation auf dem Kiezburn verwenden. Der Rest der Materialien landete in den Regalen zur Materialvermittlung.

Beide Vereine sitzen übrigens im Haus der Materialisierung, das wir schon bei unserer letzten Materialmission vom alpro Pop-Up-Café in Berlin kennengelernt haben.

freiraum e.V.

"389 Kilogramm feinstes Holz bringen zwei Mädchen zur Weißglut."

 So oder so ähnlich könnte die Schlagzeile zur Materialvermittlung an den freiraum e.V. klingen. Warum die so sauer waren? Sie hatten gerade erst ein Regal fertig gebaut und hätten mit mehr Holz gerne noch länger daran gearbeitet. 

Der freiraum e.V. ist eine private Kunstschule, die kreatives Arbeiten in verschiedenen Workshopformaten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anbietet - aber vor allem ohne viel Plan. Die Kinder und Jugendlichen sollen ihre eigenen Ideen umsetzen und darin finden sie im Verein Unterstützung, Expertise und Material. Für Menschen, die doch etwas Plan brauchen, gibt es ein buntes Workshop- und Veranstaltungsprogramm.

Kulturbanausen

Auf dem Wagenplatz in der Lohmühlenstraße bekam der Kulturbanausen e.V. 465 Kilogramm Holz für anstehende Sommerprojekte – und fürs Lagerfeuer in den kühleren Nächten. Der gemeinnützige Verein fördert seit 1997 die kulturelle und künstlerische Eigeninitiative von Jugendlichen und Erwachsenen.

Neben einer Outdoor-Bühne gibt es eine Konzert- und Lichtanlage, sowie eine beheizbare Veranstaltungsfläche für kältere Tage. Menschen können lernen, eigene Events, wie Theater, Konzerte oder Lesungen auf die Beine zu stellen und werden mit Logistik und Marketing unterstützt.

7.589,20 Kilogramm Material – aber was haben wir wirklich gespart?

7.589,20 Kilogramm wiederverwendetes Material – in CO2-Äquivalenten macht das 14.016,39 Kilogramm – eine ziemlich abstrakte Zahl.

14 Tonnen CO2-Äquivalent entsprechen etwa einer Autofahrt von 43.479 Kilometern, 15.054 Waschgängen bei 60°C, der Herstellung von 1.139 Kilogramm Rindfleisch oder 108 Economy-Flügen von München nach Berlin. Mit diesen Vergleichswerten werden die Dimensionen schon viel klarer.

Den CO2-Rechner, den wir für diese Vergleiche genutzt haben, findet Ihr hier.

 

*Die Abkürzung FLINTA steht für Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-binäre, Trans- und Agender-Personen. 

**Quelle: https://www.s27.de/wp-content/uploads/2021/03/S27-Bilderbuch_web.pdf

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Manche machen’s heimlich

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Sonnig, mit Aussicht auf Müllvermeidung